Berechnung tribologischer Eigenschaften moderner Materialien auf atomarer Ebene

Die derzeitigen Simulationstechniken bieten die Möglichkeit, verschiedene - auch ungewöhnliche - Materialkombinationen auf unterschiedlichen Längenskalen zu berechnen und somit Vorhersagen über deren Reibungseigenschaften zu treffen. In diesem white paper werden Möglichkeiten der atomaren Beschreibung tribologischer Effekte diskutiert.

Einleitung

Die Fokussierung der Ingenieurwissenschaften hinsichtlich der Aspekte von Energie- & Kosteneffizienz durch die Kontrolle von Reibung und Verschleiß in Geräten und Bauteilen, erfordert ein immer besseres Verständnis der zugrunde liegende Mechanismen. Tribologische Effekte finden an den Oberflächen bzw. Grenzflächen statt. Man unterscheidet bei den Reibungsmechanismen zwischen Adhäsion, (Mikro)pflügen (microploughing) und Hysterese. Hieraus resultieren die Verschleißmechanismen: Adhäsionsbruch, Abrasionsbruch und Ermüdungsbruch s. Abb. 1). Diese Effekte sind in der Tribologie auf unterschiedlichen Längenskalen (s. Abb. 2) beobachtbar.

Abb. 1: Einteilung der Reibungs- und Verschleißmechanismen

Klassifizierung tribologischer Effekte nach Größenordnung

  • auf unitribologischer Skala (~1m). In dieser Größenordnung wird die Effizienz (Wirkungsgrad) alltäglicher Maschinen beschrieben. Die tribologischen Eigenschaften werden bestimmt durch die jeweiligen Wechselwirkungen der Einzelbauteile ...
  • auf dezitribologischer Skala (~1dm). In dieser Größenordnung wird die Tribologie der Komponenten einer Maschine beschrieben, die sich im (Reib- oder Verschleiß-) Kontakt miteinander befinden. Dabei werden die Effekte bestimmt durch die Wechselwirkungen ...
  • auf makrotribologischer Skala (~1mm). Hier werden die Wechselwirkungen zwischen den Oberflächen beschrieben, wobei die Materialien noch als Kontinua (homogen, keine einzelnen Atome) und die Wechselwirkungen durch charakteristische Materialparameter, wie ihre Elastizitäts- und Schermoduln angenähert werden. Die Parameter werden wiederum bestimmt durch die Eigenschaften der Komponenten ...
  • auf mikrotribologicher Skala (~1 µm). In dieser Größenordnung sind Effekte im Blickpunkt, die sich bereits mit der Wechselwirkung einzelner granularer Fragmente der Komponenten (Oberflächenstruktur, Rauhigkeit) befassen. Die genaue Beschreibung der Wechselwirkungen innerhalb und zwischen den Fragmenten wird schließlich erzielt durch die Beschreibung der Wechselwirkungen ...
  • auf nanotribologischer Skala (~1nm). Hier wird letztendlich die atomare Zusammensetzung der Materialien wichtig. Die Stöchiometrie, die chemische Zusammensetzung der Komponenten und die daraus folgenden molekularen Wechselwirkungen bestimmen über die Parameter, wie sie in den höherskaligen Größenordnungen meist empirisch eingehen. Auf der nanotribologischen Skala können nun auf Basis atomarer Wechselwirkungen die makroskopischen Eigenschaften, wie Härte oder Elastizitätsmodul berechnet werden. Ebenso können auf atomarer Ebene die Wechselwirkungen der Reibungspaare an den Oberflächen detailiert berechnet werden.
Abb. 2: Einteilung tribologischer Effekte nach Längenskalen

Die ständig verbesserten Möglichkeiten der Oberflächenbearbeitung gestatten es inzwischen Materialkombinationen „nach Maß zu schneidern“. Allerdings ist die Auswahl optimaler Kombinationen von Reibpaaren aufgrund der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Materialien aufwändig. Um die technischen Möglichkeiten optimal zu nutzen ist es daher notwendig, die in Frage kommenden Kombinationen aufgrund theoretischer Vorhersagen einzuschränken. Aktuelle Simulationstechniken bieten die Möglichkeit, verschiedenste (auch ungewöhnliche) Kombinationen auf unterschiedlichen Längenskalen am Computer zu untersuchen. Die zur Verfügung stehenden Methoden zur Simulation reichen, je nach Größenordnung, von Elektronenstrukturrechnungen in Nanometer- Bereichen über Quanten- und klassische Molekulardynamik bis hin zu Monte-Carlo- und Finite Elemente- Methoden für makrotribologische Fragestellungen.

Ein Beispiel: unterschiedliche Materialien beim Einschleifvorgang

In dieser Simulationsrechnung werden die Einschleifvorgänge von zwei Reibpaaren untersucht. Es wird eine Modellierung auf atomarer Skala durchgeführt. Dabei wird der Einfluss der chemischen Bindung zwichen den Atomen und die konkrete Oberflächenstruktur auf das Reibverhalten sichtbar gemacht.

Details der Simulationen

Die Modellierung der Atome erfolgte durch Lennard-Jones-Potentiale welche durch unterschiedliche Haftungsparameter und Atommassen charakterisiert werden. Die Temperatur während der Simulation betrug 25°C.

Die Berechnungen wurden mit Hilfe des MD-Paketes Öffnet externen Link in neuem Fensterlammps auf einzelnen Opteron-Prozessoren mit ~2.0GHz durchgeführt mit einer Rechenzeit von ca. 2 Minuten, bei einer Simulationszeit von 300fs (120000Schritten mit 0.0025fs). Der Einfachheit halber sind die Konfigurationen zweidimensional. Für dreidimensionale Rechnungen erhöht sich die Rechenzeit etwa linear mit der Systemgröße.

Ergebnisse Reibpaar weich/hart

In den nachfolgenden Abbildungen ist eine Trägersubstanz (in rot) mit einem relativ weichen und atomar leichteren Material (in blau) teilweise beschichtet und wird an einer anderen Oberfläche aus deutlich härterem (unten, ebenfalls in rot) gerieben. Ein Beispiel für die zugrundeliegende Situation wäre eine Kobalt-Beschichtung auf einem Germanium-Träger. Das linke obere Bild stellt die Ausgangssituatiuon dar. Anschließend werden die beiden Oberflächen gegeneinander gerieben. Die einzelnen Bilder zeigen Momentaufnahmen des Vorgangs. Der Reibvorgang wird - wie in einem Lager - mehrfach wiederholt. Man erkennt, daß im Laufe der Simulation die blaue Substanz auf ihrem Träger verschmiert wird und sich nach wenigen Zyklen nicht mehr wesentlich verändert. Gleichermaßen ist die Verschmutzung der reibenden Fläche erkennbar (es lagern sich blaue Atome an der unteren Oberfläche an). Bei diesem Prozeß handelt es sich zu Beginn um Abrasionverschleiß, danach um eine Kombination aus Adhäsionsverschleiß und Adhäsionsreibung.

Zeitschritte des Einschleifvorganges

Die einzelnen Bilder zeigen den berechneten Einschleifvorgang der Reibpaarung weich/hart in zeitlicher Reihenfolge von oben links nach unten rechts.

Ergebnisse Reibpaar hart/hart

Als zweites Beispiel wurde eine Reibpaarung aus zwei ähnlich harten Materialien untersucht. In den nachfolgenden Abbildungen werden die Ergebnisse dieser Untersuchung gezeigt.  Diese Situation entspräche z.B. der Reibung von Silizium auf Kupfer. Im Laufe dieser Simulation wird zwar die hellgraue Beschichtung wie auch die Trägersubstanz ein wenig plangeschliffen und beide Flächen werden gegenseitig verschmutzt, stärker jedoch ist die Verschiebung der hellgrauen Halbkugel in Reibrichtung. Zur besseren Sichtbarkeit dieses Verhaltens sind in beiden Panels Marker an den ursprünglichen Orten (in weiß) gesetzt. Bei diesem Prozeß handelt es sich um nahzu reines Mikropflügen.

Zeitschritte des Einschleifvorganges

Die einzelnen Bilder zeigen den berechneten Einschleifvorgang der Reibpaarung hart/hart in zeitlicher Reihenfolge von oben links nach unten rechts.


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Weiterführende Literatur ...

 

Zu den tribologischen Grundlagen siehe z.B.:

G. Mennig, M. Lake: Verschleißminimierung in der Kunststoffverarbeitung - Phänomene und Schutzmaßnahmen, Kapitel II
Hanser Fachbuch, 2007

Zu atomskaligen Simulationen von Reibung und Schmierungsvorgängen siehe z.B.:

A. Koike, M. Yoneya: Molecular dynamics simulation of sliding friction of Langmuir- Blodgett monolayers
Journal of Chemical Physics 105(14), pp 6060-6067 (1996)

Zu Scher- Deformationen und Legierungsbildung in Metall- Metall- Kontakten siehe z.B.:

I. Stankovic, S. Hess, M. Kröger: Microscopic structure, dynmaics, and wear at metal-metal interfaces in sliding contact
Physical Review E 70, pp. 066139 (2004)

Weitere Rechnungen siehe z.B.:

C.D.Lorenz, E.B. Webb III, M.J. Stevens, M. Chandros, G.S. Grest: Frictional dynamics of perflourinated self-assembled monolayers an amorphous SiO2  Tribology Letters, 19 (2), 93ff (2005)

Zu Rechnungen mit Finite-Elemente- Methoden
mit den Paketen Abaqus (kommerziell) oder Warp3D (open source), siehe z.B.:

K. Holmberg, H. Ronkainen, A. Laukkanen, K. Wallin: Friction and wear of coated surfaces - scales, modelling and simulation of tribomechanisms

Surf. Coat. Tech. 202, 1034ff (2007)